1. Österreichische Krankenstrasse

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Die Betroffenenplattform „Sichtbar Werden“ hat am 27. 8. 2018 am Schillerpark in Linz dazu eingeladen, die Hürden im österreichischen Gesundheitssystem spürbar kennen zu lernen.

2018-08-27_Krankenstrasse_Schillerpark-Linz_Sichtbar-WerdenDie Aktion zur Eröffnung der „1. Österreichischen Krankenstrasse“ einer geplanten Gesundheitskasse informierte Passant*innen und Medien darüber, mit welchen Barrieren das österreichische Gesundheitssystem bereits bisher ausgestattet ist. Die Bewohner*innen von Linz konnten mittels Rollstuhl, Krücken oder Gehstock selbst erleben, wie es ist, wenn sie auf eine ausreichende Versorgung mit notwendigen Heilbehelfen angewiesen sind. Am Ende der „Krankenstrasse“ wurde deutlich, dass Zeit ein wichtiger Faktor ist, um ein ausführliches Gespräch mit medizinischem Personal zu führen. Die mangelnde Zeit für ein Arztgespräch und bereits bestehende 2018-08-27_Krankenstrasse_Schillerpark-Linz_Sichtbar-Werden3Lücken im Gesundheitssystem werden noch verstärkt, sollte die geplante Zusammenlegung der Krankenkassen zu einer Gesundheitskasse zu weiteren Sparmaßnahmen auf dem Rücken der Betroffenen führen.

Diese 13 Vorschläge zum Abbau bereits bestehender Barrieren machen deutlich, welche Maßnahmen zu welchen Verbesserungen beitragen:

1. Begleitdienste („Mitgehen“) für Armutsbetroffene bei Gutachten und Gesundheitsdiensten – auch bei Ämtern und Behörden.

2. Persönliche Begleitung, Mentoring, Buddies: Jemanden haben, der/die einfach da ist und Gemeinsames unternimmt, Freizeitaktivitäten etc.

3. Psychotherapie und psychosoziale Notdienste: erleichterter Zugang zu kostenloser Psychotherapie, Ausbau von Therapie- und Beratungseinrichtungen und psychosozialen Notdiensten außerhalb der Ballungszentren.

4. Prävention und Rehabilitation: erleichterter Zugang zu präventiven Gesundheitsmaßnahmen wie Kuren etc., uneingeschränkter Zugang zu REHA-Maßnahmen; Personen mit multiplen Beeinträchtigungen sind wegen Betreuungsbedarf von Kuren ausgeschlossen.

5. Finanzielle Unterstützung: Unbürokratische finanzielle Unterstützung bei Behandlungen mit hohen Selbstbehalten (Zahnersatz, Regulierungen, etc.) sowie bei notwendigen Heilbehelfen (Hörgeräte, orthopädische Hilfen etc.); Selbstbehalte außerhalb der Rezeptgebührenbefreiung sind für Prekarisierte und Einkommensschwache oft nicht leistbar.

6. Bessere räumliche Erreichbarkeit von Gesundheitseinrichtungen: Menschen mit wenig Geld haben besonders im ländlichen Raum große Probleme, Gesundheitseinrichtungen zu erreichen. Auch kleinere Wege sind ohne Auto kaum machbar. Kommen Armut und Krankheit zusammen ist die Mobilität völlig eingeschränkt.

7. Kein Zwang zu krankmachender Erwerbsarbeit. Die Erfahrung „ganz unten“ ist, dass Arbeit nicht automatisch „integriert“, sondern „sozial exkludieren“ kann, was Fragen rund um Sanktionen, Krankheit, Invaliditätspension und „Arbeit um jeden Preis“ aufwirft. Wenn Arbeit krank macht, prekarisiert, ohne Anerkennung und Wertschätzung, entsteht soziale Ausgrenzung durch die Arbeit selbst. „Arbeit um jeden Preis?“: AMS, Sanktionen und Angst machen krank.

8. Medizinische Gutachten: Mehr Respekt und Beachtung vorliegender Befunde. Bessere Ausbildung und Sensibilisierung von GutachterInnen. Bereits vorliegende Befunde dürfen nicht missachtet werden.

2018-07_Kupfermuckn_Zwei-Klassen-Medizin9. Gleiche Behandlung und gleiche Therapien – egal ob arm oder reich. Werden Armutsbetroffene gleich behandelt, bekommen sie die gleiche Medizin, die gleiche Therapie? Keine Klassenmedizin – ob bewusst oder unbewusst!

10. Keine Kürzung für soziale Dienste und Einrichtungen. Sparpakete und Kürzungspolitik verschlechtern die Unterstützung von sozialen Diensten.

11. Rechtshilfe und Anwaltschaft. Gleicher Zugang zum Recht für alle – egal ob arm oder reich. Vertretung von Betroffenen bei Krankenkasse, Pensionsversicherung, AMS und Sozialamt. Rechtsberatung, Rechtshilfe und Rechtsdurchsetzung.

12wir_gemeinsam-doktor. Verständlichkeit und Lesbarkeit von Formularen, Diagnosen und Therapien. Eine angemessenere und leichter verständliche Formularsprache. Mehr Zeit für die Erklärung von Diagnosen bzw. Therapien.

13. Dialogforen mit ÄrztInnen, EntscheidungsträgerInnen und anderen Gesundheitsberufen. Armutsbetroffene kommen ins Gespräch mit AkteurInnen des Gesundheitssystems. Sensibilisierung für Anliegen und Situation Einkommensschwacher.

Weitere Details siehe Presseaussendung der Armutskonferenz. Während der Vorbereitungen auf diese Aktion wurde zuletzt der Begriff „Gesundheitsstraße“ ersetzt durch das Wort „Krankenstraße“ (der 1. Österreichischen Gesundheitskasse).

 

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