Das Partnereinkommen bei der Notstandshilfe wird seit 1. Juli 2018 nicht mehr angerechnet. Drei Tage vor der Nationalratswahl am 15. Oktober 2017 erreichte Judith Schwentner mit den Stimmen der SPÖ und FPÖ endlich die lang ersehnte Abschaffung dieses von ihr so bezeichneten „Anachronismus“ (siehe Bericht „Erfolge feiern„). Grund zum Jubel besteht vorerst dennoch nicht!
Diese längst überfällige sozialpolitische Maßnahme macht österreichweit rund 17.500 – vorwiegend weibliche – (Erwerbs-)Arbeitslose finanziell unabhängiger von ihren Partner*innen … vorerst. Denn wie mittlerweile weithin bekannt ist, arbeitet die aktuelle Regierung hart daran, die Notstandshilfe überhaupt abzuschaffen und durch einen nur anfangs erhöhten Arbeitslosenbezug mit – bei Bedarf – anschließender Mindestsicherung zu ersetzen. Bedürftig soll dann allerdings nur sein, wer sein Erspartes und Ererbtes weitestgehend verwertet hat. Die sozialen Verschlechterungen sind weitreichend und würden weite Teile der Bevölkerung von der Mitte abwärts – zum Teil trotz aufrechter Dienstverhältnisse – in die Armut treiben. Aus diesem Grund hat die Arbeitslosenlobby einen „NEIN zu Hartz IV„-Folder erarbeitet, um darüber aufzuklären.
Diese Gefahr ist trotz der zwischenzeitlichen Verbesserung durch die Abschaffung der Anrechnung des Partnereinkommens weiterhin nicht gebannt. Denn, so Dr. Johann Kalliauer, Präsident der AK Oberösterreich: „Angesichts der zahlreichen Verschlechterungen für Beschäftigte durch die neue Bundesregierung ist diese Verbesserung kaum zu glauben“. Wer aufgrund der bisherigen Anrechnung des Partnereinkommens keine Notstandshilfe bezogen hat, kann diese nun neu geltend machen. „Wer Fragen zur neuen Regelung oder Zweifel an der Richtigkeit der neuberechneten Notstandshilfe hat, wendet sich“, so die AK Oberösterreich in ihrer Aussendung vom 30. Juni dJ, „am besten an das AMS oder kontaktiert die Rechtsexperten/-innen der Arbeiterkammer unter +43 (0)50/6906-1.“
In seinem Beitrag „Kürzung der Notstandshilfe in Partnerschaften abgeschafft – zumindest vorerst“ berichtet Lukas Wurz am 4. Juli 2018 über weitere Details dazu. Interessant dabei ist die Geschichte, wie es 1946 zur Einführung der Notstandshilfe in Österreich gekommen ist:
Von Marienthal zur Zivilisierung der Notstandshilfe
Die Notstandshilfe wurde 1946 als eine Art Sozialhilfe auf Bundesebene geschaffen. Ausgehend von der Studie „Die Arbeitslosen von Marienthal“ hatte sich nach der Niederlage des Nationalsozialismus die Vorstellung etabliert, dass die Attraktivität des Nationalsozialismus für viele Menschen aus der „Aussteuerung“ arbeitsloser Menschen resultierte. Das Wort „ausgesteuert“ beschreibt die Lage von Menschen, nachdem sie ihren Anspruch auf Arbeitslosengeld (im Jahr 1933 war das nach 20 Wochen) verloren haben. Sie hatten allenfalls eine Hoffnung auf eine Armenleistung der Gemeinde.
Da die Armenfürsorge uneinheitlich und unsicher (und außerdem extrem niedrig) war, wurde 1946 eine einheitliche Leistung zur Fortsetzung des Arbeitslosengeldes, eben die Notstandshilfe, geschaffen. Und als solche war sie an bestimmte Einschränkungen geknüpft, darunter eben die Berücksichtigung anderer Haushaltseinkommen. Dennoch unterschied sie sich von Armenfürsorgeleistungen: Hatten diese eine fixe Obergrenze (wie heute die Mindestsicherung, bei der jede Form des Einkommens sofort zu 100% abgezogen wird), so war die Obergrenze bei der Notstandshilfe quasi fließend und orientierte sich auch an der Höhe des vorherigen Einkommens der BezieherInnen.
In den 1990ern veränderte sich der Charakter der Notstandshilfe. Führte ein Antrag auf Notstandshilfe für Menschen ohne Staatsbürgerschaft eines EWR-Landes bis dahin faktisch zum Verlust des Aufenthaltsrechts, entschied der VfGH 1998, dass die Notstandshilfe jedenfalls auch eine Versicherungsleistung sei. Damit wurde letztlich auch die Anrechnung des Partnereinkommens fragwürdig: Sie führte dazu, dass Menschen in gleichgelagerten Situationen ungleich behandelt wurden. So konnte etwa in einer Mann-Frau-Partnerschaft, in der beide PartnerInnen das geschlechtsspezifische mittlere (und eben sehr unterschiedliche) Einkommen verdienten, der Mann Notstandshilfe erhalten, die Frau jedoch nicht. Auf diese Weise sanken Familieneinkommen um bis zu 40%.
Soziales Engagement nützt allen, auch den Engagierten selbst, denn „Gli altri siamo noi„.
Nicht individuelle „charity“ der Wohlhabenden sollte Not mildern, sondern das „System Politik“. (Stephan Schulmeister, S 272)